Mein “Schweriner Freundeskreis" besteht zu 100% aus Angestellten, mein “Hamburger Freundeskreis” zu fast 100% aus Selbstständigen. Was uns das sagt? Eigentlich nichts. Diese Zahlen sind eindeutig nicht valide, wenn auch wahr und sie zeigen mein privates, kleines ambivalentes Umfeld.
In Hamburg war ich jede Woche gespannt darauf, wer aus meinem Bekanntenkreis als Nächstes ein Buch schreiben, mit einem Podcast starten oder von Poetry Sammlerin zu Hip Hop Act durchstarten wird. Alle waren freiberuflich unterwegs und übertrieben kreativ. Bei denen war die Reaktion auf meinen Plan Coworking nach Schwerin zu holen: 'Aber warum bloß Schwerin?!'.
Bei allen Schweriner*innen war die Reaktion auf den Plan: 'Aber warum Selbstständig?!' und dann 'Was heißt das überhaupt? Coworking?'.
Für mich war die Antwort an die Hamburger ziemlich einfach: Schwerin ist eine wunderschöne Stadt. Und na klar, ich bin hier nun mal aufgewachsen, das spricht auch deutlich für sie. Außerdem gab es endlich mal eine Wohnung mit Balkon und ohne Schimmel, die man sich leisten konnte. Die Antwort an die Schweriner ist hingegen deutlich fordernder: Wenn ich mit Laptop und Limo in einem Café sitze, dann ist das meine Form von Arbeit und die vermisse ich hier. Mein Arbeitsalltag sieht und fühlt sich anders an als 7h30-16h30 in einem Büro zu sitzen und das mit Anderen zu teilen, fehlt mir hier. In Hamburg fing ich manchmal erst um zwölf an: mit einem Meeting in einem Kaffee, dann ab ins Büro und später als Veranstaltungsleiterin in einem Club für ein Event bis spät in die Nacht. Das war mein Job und tatsächlich bin ich jeden Tag sehr gerne hin gegangen. Würde ich tauschen wollen? Niemals! Würdest Du tauschen wollen? Ich bin selbstständig, weil ich es liebe. Und ich will einen Ort in Schwerin an dem man coworken kann, weil ich es brauche. Beide Antworten sind wohl nicht aussagekräftig genug, ich gebe es zu. Aber eigentlich ist es genau das.
Für mich haben die Antworten ausgereicht und tatsächlich gab es auch die ein oder andere Fügung in Schwerin, die dafür sorgte, dass ich heute Gründerin eines Coworking Cafés bin.
Damals gab es die Idee, dann gab es Köpfe, die genauso dachten (wenn auch nur zwei, aber es gab sie) und ziemlich kurze Wege, um weiter zu kommen. Zuerst bist du auf der Suche nach einer freien Immobilie - da hat man in Schwerin schon mal viel Auswahl. Neben den Eigentümern, die Leerstand mehr mögen als junge, ambitionierte Unternehmerinnen, gab es die eine perfekte Fläche mit einem cleveren, neugierigen Eigentümer. Wenn du eine Gewerbefläche in einem Wohnhaus hast, musst du schon zusehen wie gut du die füllst. Ein Coworking Space macht in der Regel keinen Lärm, produziert keine üblen Gerüche. Die ersten beiden überzeugenden Punkte für das unbekannte Businesskonzept. Meine feurige Rede für ein moderneres Schwerin, war der dritte. Die Fläche für den Space war also da. Und dann trumpfte Schwerin noch als typische Kleinstadt auf, natürlich gibt es hier einen Wettbewerb mit der Sparkasse, der IHK und der Stadt selbst. Natürlich heißt dieser Wettbewerb Erfolgsraum Altstadt. Und im Nachhinein auch irgendwie zu erwarten, konnte hier eine junge Rückkehrerin mit moderner Idee trumpfen. Klasse Aushängeschild - in beide Richtungen. Mit so viel Aufwind für einen Coworking Space hätte ich tatsächlich niemals gerechnet.
Wir halten fest: Schwerin hat mir allen Grund gegeben zurück zu ziehen. In sehr kurzer Zeit dann noch mehr Gründe etwas Eigenes aufzubauen und mein Leben hier aktiv mitzugestalten.
Und wir halten weiter fest: Schwerin ist und bleibt, was sie ist.
Ein Stadt, die eben vor allem Beamtenstadt ist. Eine Kleinstadt ohne Universität. Der Großteil guckt skeptisch und liebt die Ruhe - auch wenn man in der Innenstadt wohnt, lieber keine Geräusche, Menschen und Freude vor der eigenen Haustür ist wohl das Motto. Und doch war das Interesse groß über ein neues "Café" - über neue Events - und eine neue Denkrichtung. Und ich bin nicht mehr alleine, ich habe andere Selbstständige gefunden! Kreative, Freiberufler und sogar Startups. Sie waren immer da und nun finden sie sich ab und an zusammen in meinem eigenen Laden. Rückkehrer*innen und Neu-Schweriner*innen kommen freudestrahlend zu mir und man sieht ihnen an, dass sie im tisch ein wenig Hoffnung für Etwas Neues sehen und ein Stück Altes aus ihrer verlassenen Großstadt.
Stellt Euch mal vor, die Stadt sieht wie wertvoll so ein Ort sein kann. Stellt Euch mal vor, dass der Laden die Krise überlebt und weiter machen kann wie zu Beginn des Jahres mit vollem Haus und viel Trubel. Stellt Euch mal vor, Schweriner*innen würden zusammen halten und miteinander Pläne schmieden und Ideen verwirklichen. In einem Coworking Space darfst du das. Du darfst träumen. Du darfst arbeiten, wie du willst. Du darfst arbeiten, was du willst. Und du darfst zusammen Großes und Kleines entwickeln. Also sei kein Frosch! Lass lieber zusammen arbeiten - nicht nur in einer Stadt, an einem Ort, sondern zusammen für die Sache.
Viel Erfolg dir weiterhin