Solidarität. Das Wort der Stunde.
Manchmal erwische ich mich bei der Frage, ob das große Thema 2020 wirklich bei einigen Leuten die abgesagte Urlaubsreise war. Fühlt sich der Mensch tatsächlich in seinem Leben eingeschränkt, weil er nicht shoppen gehen kann und Silvester zu zweit feiern sollte? Offensichtlich. Denn wer hat nicht wen im Bekanntenkreis, unter den Kollegen, Nachbarn oder den Facebookfreunden, der ein schickes Urlaubsfoto im Oktober verbreitet hat. Manchmal denke ich der Rest der Welt lebt mit seinen geheimen Parties und dem Kurzarbeitergeld weiter wie bisher, während man selbst isoliert im Lockdown daran verzweifelt sein Lebensunterhalt finanzieren zu können. Die Frage ist doch, wäre ich vielleicht auch in Urlaubsstimmung, wenn ich nicht existenzielle Sorgen hätte? Immerhin lebt jeder in seiner eigenen Blase. Wenn du beruflich durch die aktuelle Krise nicht betroffen bist, dir geht es finanziell gut, vor einer unbekannten Krankheit hast du keine Angst, wieso solltest du dich dann jetzt einschränken? Wieso nicht ab ins Flugzeug?! Wieso nicht weiter wie bisher!? Die Oktoberferien 2020 müssen auch in Pandemie-Zeiten genutzt werden - natürlich. Ab nach Spanien, Italien und Griechenland. Nach mir die Sintflut. Warum nicht?!
Ist die Antwort nicht ganz klar?: Weil es eben Menschen außerhalb deiner Blase gibt. Das Motto seit 2019 - seit der Eröffnung des tischs.
Ja manchmal kann man es sich kaum vorstellen, aber jeder von uns lebt mit Privilegien von denen manch anderer nur träumt. Sei es eine Urlaubsreise, sei es ein Platz auf einer Intensivstation oder Geld auf dem Konto. Und jeder träumende Sonderling, jeder der seinen eigenen Weg gegangen ist, ist darauf angewiesen, dass in Krisen wie der aktuellen alle ihren Beitrag leisten auch wenn du in deiner Blase geschützt und gebettet bist. Und nicht nur der Sonderling, sondern auch der junge Mann an der Supermarktkasse muss sich doch auch jeden Tag denken: "Geht's noch?!". Er steht jeden morgen um sechs Uhr am Getränkeregal und ist fleißig. Für einen Mindestlohn macht er das. Wenn die Kunden kommen, sind sie launisch, ohne Maske oder jeglicher Sorgfalt unterwegs. Er muss uns doch ansehen und sich fragen, warum er überhaupt noch jeden Tag arbeitet - für das wenige Geld, die viele Arbeit, die wenige Rücksichtnahme.
Es gibt so viele Menschen, die darauf angewiesen sind, dass so schnell es geht wieder “normal” gelebt und gearbeitet werden kann. Dass sich nicht mehr wild angesteckt wird. Dass jeder Einzelne die neue Situation in seinen Alltag lässt. Dass jeder Einzelne Solidarität lebt.
Wenn also eine Verlängerung des Lockdowns entschieden wird und damit mehr und mehr der Untergang deiner Selbstständigkeit, aber gleichzeitig die Skipisten wegen Überfüllung kontrolliert werden müssen, dann kann da doch was am solidarischen Miteinander nicht stimmen? Oder ist es genauso unsolidarisch von mir so zu denken?
Letztendlich ist es ja genau das, was mein Coworking Ort voran bringen soll - ein solidarischeres Miteinander - ein CrossCommunity Gedanken, der es uns ermöglicht andere Lebenswelten zu sehen und mit zu denken. Ich möchte, dass man außerhalb seiner Blase blickt. Ich möchte, dass man mit individuellen Sorgen oder Ideen nicht alleine dasteht. Ich möchte, dass jeder die Möglichkeit hat seinen Horizont zu erweitern. Öffentlichkeit und Netzwerk sind die beiden großen Gedankenpfeiler, die den tisch haben entstehen lassen.
Gemeinsam schafft man eben mehr oder zumindest schneller/leichter Dinge. Genauso sehe ich es mit der aktuellen Krise. Hier sitzen nun alle in einem Boot - ob sie nun wollen oder nicht.
Das tisch-Boot ist erst halb voll! Du findest jederzeit einen Platz. Neben dir wird die Referendarin sitzen, der Musiker, die wilden jungen Gründer und jeder wird dir seine Geschichte erzählen, welche dich ein Stück weiter bringt. Ach hätte es den tisch schon früher gegeben. Ach wären wir doch alle ein Stück weit solidarischer. Ach wäre der Mensch doch einfach ein wenig genügsamer.
Was dieser Text sagen soll? 2020 und ebenso 2021 haben mir gezeigt, dass meine Idee wertvoll ist und in kurzer Zeit funktioniert hat. Die tisch-Community baut sich gegenseitig auf, entwickelt gemeinsame Ideen, hilft wo sie kann. Die unterschiedlichsten Gruppen, die den tisch nutzen, lieben oder auch bewundern, haben es geschafft das große Ganze zu sehen. Nicht alles läuft immer positiv oder so wie du es dir vorstellst, wichtig ist aber, dass du die richtige Einstellung nicht verlierst - vor allem als Gründer*in, vor allem als Allein-Kämpfer*in!
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